Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Natur

Natur

, f.

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I das von Gott gut geschaffene Wesen der Welt und des Menschen

I 1 als Ursprung oder Grundlage des (nicht gesetzten) natürlichen Rechts; die Belege geben häufig Vorstellungen des römischen und kanonischen Rechts wieder
  • zum ersten male, zo heist gotisrecht naturlich recht darumme, daz is dy nature anwist allen luthen und allen creaturen
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 183
  • gotisrecht heisset naturlich recht durch vierley sache willen; wenn sin beghin ist von naturen, und die nature hat ir beghin von gote
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 183
  • wann adil komit von naturen, unde nicht von ammecht; unde darumme mag gesazt recht naturlich recht nymmer vordrucken
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 330
  • das rechtis undirscheit ist yn sich dreyerley: das irste ist naturlich recht und heist ius naturale und hat seynen orspring von nature 
    um 1400 LiegnitzStRb. 19 (Inst. 1,1,4)
  • got hat uns allerweize gefreyet mit der scheppenunge der nature 
    um 1400 LiegnitzStRb. 130
  • die schult sey, welchirley sie sey, die die kinder der müter seint, sal bleyben bey ir erstin natur, die weyle die kinder von der muter ungescheiden wollen seyn
    um 1400 LiegnitzStRb. 141
  • so al recht hevet beginne van nature of gewoenheyt
    1426/40 KleveStR. Einl.
  • inden aenghesichte der naturen soe is dat naturlicke kijnt nyet toe mijn sijns vaeder(s) ind sijner moeder dan dat echte kijnt
    1426/40 KleveStR. Art. 73
  • alsoe en is nyemant onecht van naturen, dan van ghesetten des keysers
    1426/40 KleveStR. Art. 74
  • soe wie bekennet inden rechten wat sekers teghen oen, dat dat recht of die natuer niet en versmaet
    1426/40 KleveStR. Art. 337
  • eens richters uuytsprake ... niet contrarië[re]nde der natueren, den rechte noch den goeden zeeden
    1496 CoutBrab. II 2 S. 118
  • Adam van Nispen, die tegenwoirdelijc heeft dat recht van Godevaert, zijnen vader ... met goeden rechte sculdich is te blijven int tselve recht, als hem van natueren wegen toebehoirende
    1496 CoutBrab. II 2 S. 151
  • auch sal man wyssen, das das recht ist dreyerley wise ufkomen: das ist von natur, von gewonheit und von bethe
    1503/04 PurgoldtRb. V 5
  • die natur hat alle menschen frey geschaffen. die leibeygene knechtschafft ... haben die feinde erfunden, dann das kriegsrecht hat die vberwonnenn der ... gewalt der jhenigen, die sie gefangen haben, vnterworffen
    1566 Göbler,Hdb. 86
  • wirdt sich ein ieder gliedmas der cantorey christlicher liebe vnnd des gesetzes der natur zuerinnernn wißenn vnnd darumb sol niemandts von einem knabenn beruffenn, zur bestetigung der leichenn außenn bleibenn
    1570 Rautenstrauch,Luther 452
  • so aber ein viehe das ander beschädigte wenig oder viel, und daß thier, das beschädiget worden, hätte den krieg angefangen, so ist der herr des thiers, daß wiederwehr gethan, wiewoll es nicht vernunff hat, nicht schüldig des schadens, den das gesetz der natur erlaubet gegenwehr
    Ende 16. Jh. NeumünsterKirchsp. 215
  • muß ihnen [kinder] der stiefvater solch mutterteil, das ihnen die mutter von recht der natur unvermindert zu behalten schuldig gewest ... folgen laßen
    16. Jh. BrandenbSchSt. IV 72
  • es sind also von natur die handlungen des menschen gar nicht dem willen eines andern, er sey wer er wolle, unterworffen
    1754 Wolff,Grundsätze 47
  • von dem rechte der natur ... distinguirt sich das staatsrecht, wie ein theil von dem ganzen
    1770 Kreittmayr,StaatsR. 2
  • daß schon das recht der natur zu der bloßen schadens-ersetzung ... den beleidigenden theil verbindet
    um 1772 Pufendorf,HannovLREntw. Tit. 50 § 2
I 2 als Maßstab bei der Tatbestandsdefinition von sexuellen Vergehen
  • von den, die unkewschen wedir die nature 
    um 1400 LiegnitzStRb. 15
  • wer dan ubell ader unrechtt thudt, der thudt widder dye natur nicht in der wyse, das es seiner natur unmoglich sey, es ist aber widder dye natur, dye got gut gemacht hatt
    1503/04 PurgoldtRb. V 5
  • kätzerey wider die menschliche natur 
    1520 Augsburg/Schuhmann,Scharfrichter 38
  • [lantgerichtsmassig und malefitz ist:] wer wider die natur, als mit einem viech oder mansbilt, handlet
    1585 NÖsterr./ÖW. VIII 277
  • die stumme sodomitische suͤnd wider die natur 
    NÖLGO. 1656(CAustr.) Art. 43
  • wer wider die natur unkeuschheit treibt ..., der falt in die landtgerichtliche ... straff
    NÖLGO. 1656(CAustr.) Art. 73
I 3 als Maßstab für die Rechts- und Erbfähigkeit
  • sin eynerley kinder, dy geborn werden in suntlicher natuer, also in gestrigkter natuer rechter mogeschaft unde unrechtes blutes. den ist alles erbeteyl widderleyth
    nach 1358 Rb.n.Dist. I 5 Dist. 8
  • das kind nach [des vattern] todt geboren so in seines vattern geschäft furgangen ist, so es lebendig geborn wierdet und ob es gleich khain stimb nicht lässt und zu stund so es das erdrich berüert oder in der hebamen henden stirbt, nichts minder wierdet das geschäft durch sein geburt vernicht, es wär dann dieselb geburt ain wunder wider die natur und het nicht menschen bild
    1528 ZeigerLRb. 383
II die Beschaffenheit des Menschen in ihrer Beschränkung

II 1 durch das Kreatürliche
  • wan ain huebmair alhie zue K. die schuld der nathur des tods bezall, so soll man zue ainer spendt verpachen ain vierttl waitzen
    1527 Bayern/GrW. III 634
  • khein unzucht, so die natur in niechterkeit nothalber erfordert, solle anderer enden dann an denen orthen, da es sich gebürt ..., verricht [werden] ... bey gefengkhnus
    3. Viertel 16. Jh. Baden/Kern,HofO. II 121
II 2 durch individuelle Gebrechen, die Einschränkungen der Geschäfts- und Deliktsfähigkeit zur Folge haben; Aussagen über die für die Ausübung des Richteramtes erforderliche Beschaffenheit gehen auf Dig. 5, 1, 12, 2 zurück; von Natur von Geburt an
  • leuis culpa, der leychts vnfleyß ist do einem gebricht an der weyßheit die in von natur in menschen gefunden moͤcht werden
    1436 (ed. 1516) Klagsp.(Brant) 9r
  • thria seka sender, deer [een] mon neen riuchter vm wesa en mey, det [is] dyu nature, dyu ewe and di syd. diu nature is, det een daef mon jefte stum jef dertin mon mey neen ryuchter wesa [drei Gründe gibt es, aus denen ein Mann kein Richter sein kann, nämlich solche der Natur, des Gesetzes und der Sitte. Der natürliche Grund ist, daß ein tauber oder stummer oder wahnsinniger Mann kein Richter sein kann] 
    1457 (Hs.) EmsigerR. 232
  • een richter wort geseet te wesen een richter incompetent bij gebreeke van jurisdictien uuyt veele saken ... dat hij waire stom, doof van der natueren, blijndt, uuytsinnich, weze, vrouwe, slave
    1496 CoutBrab. II 2 S. 39
  • stomme luden ende doofve bij natueren en mogen niet testeren, mair wairen zij stom oft doof gewordden bij ziecten, zoe mochten zij testeren, opdat zij scrijven connen
    1496 CoutBrab. II 2 S. 73
  • ein blinder, als einer von natur, mag auch nit gescheft machen on grosse loblichkait, wen er liderlich betrogen wirt
    um 1500 Summa legum 323
  • das vmb dryerley sach willen die menschen den richterstůl nit besitzen moͤgen ... nemlich auß der natur, auß dem gesatz, vnd auß menschlichen vngeberden
    1523 Köbel,GO. 12r
  • wo ein ehegemahl der natur halben zu der ehe untüchtig und ungeschickt ist, so kan dasselbe keine rechte natürliche ehe mit einem andern besitzen
    1623 ZWürtLG. 14 (1955) 99
III
die Beschaffenheit der unbeweglichen, beweglichen und immateriellen Sachen
  • was der clager bewerlich redt, daz sal er beweisen mit redlichem orden, umb das des lewkners sache mit dez dinges wesen und natur keyn bewerunge hat, wann dy lewkenunge slechticlich mak nymmer beweret werden
    1406/07 BöhmBergR.(Gelnh.) 267
  • want itlicke borghtoch is, dat vanden rechte ontfanget sijn natuere 
    1426/40 KleveStR. Art. 131
  • soe wat schaide geschiet an vermiedt guet, indien dat guet in der naturen bliive, die is des mieders
    1430 KleveÄltStRHs. 98
  • een zekere certaine sake ende declaracie, sulck zijnde dat sij moge uuyt huerder natueren baren een clair sake van actien
    1496 CoutBrab. II 2 S. 147
  • die natur mutui ist, das wie das guet gelihen wirt, das ein gleichs der selben natur vnd guet widergeben sol werden
    um 1500 Summa legum 413
  • die leiblichen gueter sein die von natur durch die auswendig sinn begriffen werden mugen, als gründ, heuser, claider, gold und ander dergleichen sichtig ding
    1528 ZeigerLRb. 254
  • in Tirol sind prelaten, adel, stett und gericht ainer natur gegen landesfürsten
    1545 Leiser,Strafgerichtsb. 134
  • sein etliche lehen, die jre lehens art, aygenschafft vnnd natur allwegen ... behalten
    1548 Perneder,Lehnr. 2r
  • drijderhande naturen van leene
    1570 Stallaert II 151
  • natuir vndt eigenschaft der cooßgueder
    1652? Kamptz,PreußProvR. III 103
  • ferners werden in dem rechten alle sachen underscheiden in coͤrperliche oder leibliche. das ist, solche, welche von natur koͤnnen ... gesehen, beruͤhrt oder betastet werden als haͤuser, acker, gold
    1709 Mutach 45
  • daß der besitzer ... schon aus der natur der an sich gebrachten sache ... einen gegruͤndeten verdacht gegen die redlichkeit seines besitzes haͤtte schoͤpfen koͤnnen
    1811 ÖstABGB. § 368
  • die natur und wirkungen dieser letzteren strafe
    1818 Landsberg,Gutachten 167
IV in der Wendung Natur der Sache als terminus technicus, der die Grenze der Rechtssetzungsmöglichkeiten bereits im römischen Recht, verstärkt aber seit dem 18. Jh. in der naturgegebenen Struktur des Regelungsgegenstandes sieht (vgl. HRG.1 III 917ff.)
  • man verfahre nur so, wie es die natur der sache erfordert, wenn eine nation kein ander gemeines recht hat, als das auf blosser gewohnheit beruhet. man forsche nach, wie es bisher in solchen faͤllen gehalten worden. man gehe, soviel moͤglich, bis auf den ursprung, bis auf die erste quelle der ganzen sache zuruͤck
    1779 Pütter,BeitrStaatsR. II 96
  • die natur der sache giebt in allen rechtslehren kein allgemeines recht
    1815 Mittermaier,VersuchPrivR. 12
  • was ... in ermangelung solcher positiven gemeinen deutschen rechte aus der ... natur der sache ... richtig gefolgert werden kann
    1829 Runde,PrR. § 80
V in (der) Natur als Naturalabgabe
  • was aber von den hochadelichen chordamen ... in der natur bezogen wird, darinnen [Steigerung des Zehnten] nit begriffen sein solle
    1725 GasterLsch. 298
  • soll auch nicht die metze in natur dem muͤller entrichtet, sondern mit gelde bezahlt werden
    1793 Schwarz,LausWB. III 260
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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