Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): 1Schnur

1Schnur

, f., m., n., auch Schnüre; (Schnar), f.


I Faden, Band, Kordel, dünnes Seil, Strick

I 1 als Richtschnur (I), Band zur Bestimmung gerader Richtung; ua. bei Landvermessung und Grenzziehung; meton. die Landvermessung selbst, auch: Grenze, Grenzlinie; nach dem/der Schnur gerade, exakt, genau
  • men me schal leggen den snor uppe de halve můre by der strate unde scal vord snoren na S.s olde ortstene
    1429 AnklamStB. I 236
  • von dem selben kruͥtzweg harin der schnůr der richte nach biß an den weg
    1507 LaupenAmtsbez. 129
  • die marchleut sollent ... einem jeden souil im gepürt, wie das die gerechtigkeyt der schnur vnd růten nach mutmassung erfordert, zůtheylen vnd zuerkennen
    RheinfeldenStR.(1530) 211
  • wer von newen etwas gegen die strassen bewen wil, der sol nicht weiter mit seinem gebewde herausser ruͤcken, dann es zuuorn gewesen, sondern nach dem schnur auff die alte form
    1586 LübStat. III 12 § 1
  • wer hauwet nach der schnuer, der gibt jhnen [förster] ein schilling; ein trexler gibt ein schilling vndt der mit der axen holtzet gibt sechs pfenning
    1597 Elsass/GrW. IV 220
  • bis an den dritten scheidelstein ... [soll] ein schnur gezogen, und die greinze ebenmeßig darnach bestediget werden
    1605 HambGSamml. X 144
  • die land-maasse suchen ..., welches auf der geest ... durch den rieff oder schnur ... geschicht
    1717 Blüting,Gl. I 182
  • kan lobl. fünferamt ... für einen markstein zu setzen oder zu entheben zehen schilling und von der schnur zu ziehen fünf schilling forderen
    1741 BaselRQ. I 2 S. 973
  • wann im frühjahr das torffgraben angehet, soll zuvörderst der ältermann ... durch zu steckende zeichen nach einer geraden linie oder schnure bemercken und anweisen, wie weit in dem jahre zu graben ist; ... wer hiewieder handelt, ... brüchet für jede ruhte, die er ... über die schnur gegraben
    1748 SchleswDorfO. 872
  • schnurländer, in Livland die äcker der bauern und bürger, die nach einer schnur abgetheilt sind
    1763 Gutzeit,Livl. III 1 S. 154
I 2 bei der Folter, ua. beim sog. Aufziehen und der Schnürung 
  • [zur peinlichen frag geschritten] mit der schnör oder corden ... zum andermahll nit zumahll von der erden vffgezogen
    1631 BonnArch. 5 (1893/94) 36a
  • kan dem scharfrichter freygegeben werden, das er ad secundum gradum schreite und mit schnüren den anfang mache, die beinschrauben anlege und die schienbeinschraube
    1682 BrandenbSchSt. II 731
  • als ihn hierauf der scharfrichter die hände gebunden und mit denen schnüren gezogen
    1699 BrandenbSchSt. II 748
  • wann ein maleficant in bock gespannt ... pro terrore oder primo gradu torturae ... für die schnur oder saithen im bock anzuspannen - 30 kr
    1727 NeuburgKollBl. 86 (1921) 68
  • die schnuͤrung anbelandende, wenn die haͤnde aufs festeste zusammen gebunden, wird eine haͤnffne schnure einer feder-kiel starck, daran oben und unten ein hoͤltzerner quergriff gebunden, die schnure desto fester zu halten, um den arme gelegt, an jedem ende ziehet eine person hin, die andere her
    1745 Zedler 44 Sp. 1473
  • [Buchtitel: C.U. Grupen,] observatio ivris criminalis de applicatione tormentorvm insbesondere im schnuͤren-anfang, und in vollen schnuͤren [Hannover 1754]
  • die am meisten gewoͤhnlichen torturinstrumente sind ... die leine oder schnuͤre 
    1783 Quistorp,GrundsPeinlR. 1370
I 3
bei Jagd und Fischerei, als Fangschlinge, Angelschnur uä.
  • [Vertrag zwischen Hessen und Henneberg, daß] nicht schnure ... zu niederwerffung des wildes gebraucht werden
    1498 Landau,GJagdHessen 91
  • das füran niemands ... in vnserm fürstnthumb die hasen ... in schnieren noch in kegln vahen soll
    BairLO. 1553 IV 23, 1
  • schnur und angel zu legen ... in eines andern wasser soll sich männiglich enthalten
    1558 Jülich/QNPrivatR. II 1 S. 359
  • bei welchen vischzeug, es wern vachnetz, andere netz, pern, schnier, vischstangen, und kain verlassen vischwasser hiet, gefunten wurt, der solt gestrafft werden
    16. Jh. NÖsterr./ÖW. IX 792
  • [damit] veraboͤdung alles wildpraͤts gaͤntzlich abgestellt werde, so solle hiermit alles abschrecken, wahnsaͤssen, ... schnier, gaͤttern, gugeln, wißbaum und all ander dergleichen ungebuͤhrliche weidmanschafft verboten seyn
    1650 CJVenatorio-Forest. III 70
  • [verbotten] gefährliche grund anglen und verborgene schniere [zu] legen
    17. Jh. Wittmann,Gundelfingen 63
  • wo einer ein satz einnimt, den soll er besetzen mit allem züg so dazu dienet, als angelen, schnurren und studen, und so einer das nit thäte, soll ein anderer fischer den satz nemen und darzusetzen, nach brauch und inhalt diser ordnung
    1745 InterlakenR. 603
I 4 bei Akten und Urkunden, zum Zusammenbinden oder Anhängen des Siegels
bdv.: Siegelgarn
Sachhinweis: LexMA. V 2024
  • brieffe vnd insiegel werden auff mancherley weise gefelschet, dauon sie zu nichte gethan werden vnd keine krafft haben: ... ob die schnur, daran das insiegel henget, das meiste theil zu brochen were
    1408 (ed. 1574) Ekhardi,MagdebR. IX 1, 5
  • des zu urkund geben wir in disen brief und register von pergamen mit ainer prawnn seydenn snur durchczogen und unnserr kayserlichen mayestat anhanngunden guldeinn bull
    1460 WienRQ. 240
  • so hab ich obuermelter notarius ... diß glaubwirdig offen vidimus daruͤber gemacht, selbs ... vnderzeychnet, darzů mein eygen innsigel ... an zwo rot vnd gruͤn seiden schnůr in mitte diß gegenwertigen libels ... durchzogen vnnd gehenckt, zu mehrem glauben vnd gezeugknuß
    1568 Zwengel 123r
  • obgemelte gerichts acta sollen mit schnuͤren oder sonst zůgemacht vnnd das sigel darauff getruckt werden
    TeutschForm. 1571 97r
  • nach Pfaltz an derselben schnur sigelt Bayern
    1577 RTTraktat(Rauch) 93
  • die canzleijura haben ... ihre bestimpte forderung, welche uf die bemühung des mundierns, uf widerlegung des pergamens, der schnür, der besiglung, wachses ... deputiert und lasst sich von denselben nichts abbrechen
    1600 WürtLTA.2 II 221
  • nachdem ... canzleidiener mit anhengung der schnuer und käpsen bemühet seind, als sol ... aus der tax ... dem canzleidiener für ein seidene schnuer 1 fl. 30 kr., für ein goldene 6 fl. [bezalt werden]
    1669 Fellner-Kretschmayr II 577
I 5 als Ziertextilie, Kurzware, Schmuckband; als militärisches Rangabzeichen; auch: Perlenschnur (Beleg 1648)
  • schuhe sulen die brudere haben ane snure, ane snebele unde rinken
    1264 DOrdStat. 39
  • dat eyn snarmeker schal den meistel [sic] vnde den knapen eyn gud halff stücke snares maken vor eynen schillingh penninghe dat he hir vor arbeiden wil vnde schal eme des eyn ghewere sin vppe eyn druddeil willen, so he dat vppe die hort hefft
    1407 Jahresbericht d. Hist. Vereins zu Brandenburg 1 (1868/69) 57
  • auch soll hinfüro eynich mannssbildt, burger oder inwoner dieser statt, aussgenomen doctores [der Rechte] unnd ritter, inn eynicher seiner claydung keynerley schnüre, porten oder nete, die von goldt gemacht ... sein, tragen
    15. Jh. NürnbPolO. 105
  • [daß perlenschnüre] nicht breiter denn 3/16 hamb. ellen getragen werden sollen, und daß die schnur mit dem achterband nicht mehr denn 500 mark und 300 mark wert sein solle
    1648 Hamburg/ZKulturg. 6 (1899) 172
  • daß gesellen tag-werck [bei den Schnurmachern soll] sein, ein stück schnür von 50 ellen
    1678 G. Seivert, Hermannstadt (1859) 98
  • wollen ernstlich, daß bey denen kleidern, oder libereyen, so die cavallier, und der adel, es mag derselbe fuͤrsten-, grafen- oder herren-stand seyn, fuͤr ihre bediente, und lageyen machen lassen, weder silber noch gold, es seye gleich in borten, schniren, charpen, knoͤpffen, stickwerck, auff einigerley weis zulassen [seyn]
    1698 CAustr. I 217
  • daß eines yeden frauwe heimbstuͤhr ... es seye baar gelt, allerlei fruͤcht, schnuͤr vnd garn oder ander vahrend gut ... fuͤr liggend gut geacht [werden solle]
    1720 Pestalutz I 45
  • [Bekleidungsgeld] fuͤr die profossen, wegen der schnuͤre auf der mondirung - rt. 15, ßl. 47
    1788 Gadebusch,Staatskunde II 375
I 6 zur Befestigung, Aufhängung von etw., zB. als Halteriemen am Gewehr
  • es sol auch ein yegklicher büchsenschütz schiessen auffrecht, mit frey schwebendem arm vnd abgetrentem wammaßermel on schnůr vnd riemen
    Hugen 1528 Bl. 142v
  • sieht man einen, der sich erhenkt hat, so muß man ... ihm die schnur oder den strick vom halse los machen ... zeigt sich ... kein leben ... so wasche man ihm gesicht, schlaͤfe und hinter den ohren mit warmen brantewein
    1804 LVerordnLippe V 120
  • [ist bei Arbeiten am Dach] zur warnung der voruͤbergehenden ein schild von schindeln an einer schnur an den haͤusern herausgehaͤngt worden
    1806 HeidelbPolGes. 87
I 7 als Waffe
  • die kirchweg sollen gefreit sein also, das ainer derselben orten ain stab und ain schnuer und kain andere weer sol tragen, damit von seinem veint versichert sein
    17. Jh. Salzburg/ÖW. I 68
II ein Längenmaß bzw. das entspr. Messinstrument in Form einer 1Schnur (I), Maßband; zT. auch verkürzt für Quadratschnur als Flächenmaß; in die Schnur greifen Vermessungsarbeiten behindern (vgl. Schnurgriff)

II 1 in Handel, Handwerk, Fischerei, bei der Landvermessung uä.
  • [zur Prüfung der Abgabenhöhe soll] der graf ... gewalt haben, die güeter mit der schnur meßen zu laßen
    1378 SaanenLschStat. 14
  • [waͤr] das ein haͤrkommender man hie saͤsse ... und der absturbe an liberben ..., so sol ee sin naͤchster nachgepur erben. waͤr ... das im zwen also saͤssin, das die stoͤssig waͤrint, so sol man messen mit einer schnůr und waͤrdem den allernaͤchst ist, der sol inn erben
    14./15. Jh. ZürichOffn. II 150
  • der underkoiffer im kouffhuse sol schweren, ... den luten ... recht zu messen, es sig mit der elen oder mit der schnuͤre 
    1498 SchlettstStR. 985
  • wer da begriffen wird auff scheinbarer that mit falscher maß zu wein, bier vnd allerley getrencke, wage, ... schnur, tonnen vnd secke, der ist der wette zehen taler [zugeben schuͤldig]
    1586 LübStat. IV 12 § 1
  • [fischerzüge:] ein zug hat 12 schnure, vnd ein schnur hat in sich 60 faden
    um 1597 Beck,DanzigerNehrung 80
  • eine schnure hat 72. elen
    BöhmStR. 1614 K 39
  • wan die messer im felt mit der schnur oder rhutten messen vndt was von holzes an beumen vndt zeunen, so strittig, in die schnur fallen mochte, so soll solches ... den messern heimfallen
    1629 PfälzW. II 759
II 2 im Bergwesen; mit verlorener Schnur bezeichnet die Vorläufigkeit einer Vermessung
Sachhinweis: LexMA. VI 308
  • sal der bergmeister nemen dy snuͤyr und sal sy legen mittene an dy grube und sal messen eyn halb lehin ym
    Anf. 14. Jh. FreibergBR. § 12
  • daß die jüngere grube ... ein schnore in das ligende oder in das hangende varen mag
    SchwazBergO. 1468 Art. 2
  • einem yeden, dar do pegerth seinem schacht sein gerechtikeith aussczuweissen, sollen pergmeister, staiger vnd czween geschworne ... seines schachtes lehen ... mit der mass ausswayssen; vnnd wo dye schnwr solcher mass hyn waysseth, ... sol gelegeths werden ein lehen stempl
    1492 Wenzel,Magy.bány. 279
  • das die gwerkhen ... bey den schriblingen- rechten- schacht- wie alter herkhomen, also bleiben, dieweyl ain guete zeit, daraus gericht, vnnd schacht recht gehalten worden, die dan drey schnuer auf dem gang vnnder sich vebersich, vnd in ewige genutzen vnnd auf baiden seiten kain andern scherm haben dan die drey schnuer gering vmb sich in yede seyten annderthalb schnuer, die man nent ain scheyblig lehen
    1517 MaxBO. Art. 4
  • wann einer einem anderen sein vormessen gehindert und in die schnur gegriffen ... ist er schuldig seines gethanen frevels [grund anzuzeigen]
    1520 MittDBöhm. 29 (1891) 220
  • ein vorlorne schnur wirt dermasen vorschriben
    1520 MittDBöhm. 29 (1891) 221
  • jedwede gruebe ... soll von dem andern vier schnier und zween schnier in scherm haben
    1532 ArchKärnten 41/42 (1953) 171
  • der schiner soll schwern ... daß er, wo im durch den pergkrichter myn und schyn, es sey auf rechtlich erkandnuß oder guͤtlich zu geben ... befolhen, ... daß er dasselbig ... nach ausweysung, wag unnd maß und der schnuer sag treulich thun [will]
    1532 SalzbBergO.(Lori) 202
  • den [grueben oder bew] soll ihr maß am tag, in fierst und sol, desgleichs in den scherm, naͤmlich ainer fundtgrueben zweintzig chlaffter, und ainer yeden andern grueben funffzehen claffter, zwischen fyrst und sol in den saiger, und fuͤnff schnier oder lehen in den schermm gegeben werden
    1532 SalzbBergO.(Lori) 207
  • daß einer jeden derselben gruben drey schnier, nach gangs fall, und zeugs laͤng, und drey schnier in scherm gegeben, doch daß sie am tag mit fuͤrst und poll verpfloͤckt werden
    1553 FerdBO. Art. 27
  • anderthalb schnur, das ist sibenvndtzwaintzig lachtern
    1553 Zivier,SchlesBgw. 26
  • es soll sich auch niemand unterstehen, in die schnur zu greiffen, bey der straff
    1559 PreußBergO. 31
  • sich unterstehen, eine rechtmaͤßige vermeßung ohne ... erweißliche ursach zu verhindern und nach berglaͤuftiger weise zu reden in die schnur zu greifen
    1669 KurkölnBergO.(A) V 4
  • mit verlohrner schnur vermessen heißt, wenn einer nur zu seiner nachricht durch den marckscheider sein feld ... abziehen und abpfaͤhlen laͤsset
    1743 Zedler 35 Sp. 615
III ein Grubenmaß; Grubenfeld mit einer best. Ausdehnung und Tiefe
  • was er [bergrichter] aber gruben ... verleihet, denselben gruben soll er von stund an ir schnur geben vnd gerechtigkait, alsdann die pflökh am tag slahen
    1463 Lori,BairBergr. 58
  • zu fuͤrderung des berckwerchs noch mit ainer schnur darzue [begabet]
    1475 Lori,BairBergr. 101
  • daz ain ieglicher perkrichter nicht mer verleihen sol ainer gesellschafft dann drei schnuer, und ain iede snur sol haben siben gemain klafter
    1486 Görz/ZBergr. 48 (1907) 495
  • daz man ieder zech sol geben 18 schnuer 
    1486 ZBergr. 48 (1907) 520
  • schnur bedeutet bey dem bergwercke ... ein lehn von sieben lachtern
    1743 Zedler 35 Sp. 615
IV
in Livland: ein Grundstück best. Größe
vgl. Schnurland
V in Trier: Bestimmung der Größe eines Weinfasses (mittels einer 1Schnur (II)) zur Berechnung der auf den Wein zu leistenden Abgabe; meton. die Abgabe
  • schriftlich ordnung ... wie sie [winroeder] sich in irem befelle halten sollen, eß sie mit der snore, mit dem schancke
    1540 TrierWQ. 50
  • wan die wein in die stadt geführt und niedergelegt, so wird folgends die schnur, wie es die alten gennent, durch beide geschworne weinröder vorgenommen und die neue wein den burgern und frembden verschnürt
    1607 TrierWQ. 231
  • von solchem erarbeiten eigenen [weinbergs] wachsthumb uf einer ban meilwegs, wie angezogen, allein die halbe schnur, nemblich fünf albus, von dem fuder zu geben schuldig
    1607 TrierWQ. 231
VI übtr.
gebräuchliches, gewöhnliches Maß in Recht und Sitte; der Schnur nach den Gebräuchen/ (Rechts-)Gewohnheiten entsprechend; die Schnur übertreffen, über die Schnur treten uä. sich ungebührlich, unangemessen verhalten
bdv.: Recht (I)
  • also gestatten die rechte auch eynem ehemanne die straff vnd zuͤchtigung gegen seinem eheweibe, ... woh er mit solcher straffe allzu weit vber die schnur traͤtte, were er ... zustraffen
    1565 Damhouder,Praxis 252v
  • [taglöhner oder tagesarbeiter sollen] sich der gebühr verhalten und die schnure nicht übertreffen
    1594 TrierWQ. 202
  • in malefitz händlen ihre urteilen der schnur und billigkeit nach fällen
    1609 SaanenLschStat. 234
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):