Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): 1Haar

1Haar

(Kopf-)Haar
Sachhinweis: GrRA.4 II Reg. 701; HRG.1 I 1880-1884

I Haartracht

I 1 des Geistlichen
  • daz man gätzemanne alumbe snide sin har; sol man har und kleider also stellen nach dem alten site gar also manz bi Karlen truoc
    1230 Neidh. 102
  • ob ein phafe odir ein geislich man wirt gesen mit wertlichem hare unde mit wertlichen cleiderin, den sal man haldin vor einen leien
    14. Jh. GörlitzLR. 184
I 2 der (über Notzucht) klagenden Frau
  • es sol ein iglich fraẃ, diu genotzogt wirt ... mit brochem leib und mit fladerentem har, mit zerrizzem pend und ze hant hin gènt lauffen, daz gericht sůchen
    BairLR.(Schlosser/Schwab) Art. 56
  • ob si sich des [der Notzucht] mit dreien warzaichen erklagt: mit strobletem haar, bluetigem munt oder zerisen hemet
    1560 NÖsterr./ÖW. IX 833
  • so ain frau zur schrannen in aufgelösten har vnnd ire prüst bedeckht mit iren henden kämb, wolt bestetten ir haimbruch vnd morgengab vnd claget auf ir eher
    16. Jh. MittSalzbLk. 54 (1914) 126
  • chlagt ainew ainen, er ... hab sy genotzogt über irn willen, daz sol sy beweysen mit abgerissen pentt, mit schreyendem mund, mit gestrawbtem har und mit nasser fuͤd
    oJ. RegensbStat. 49
I 3 im Haar gehen unverheiratet sein
  • [der Lehensmann verliert sein Lehen, wenn er] mit des herrn oder der frawen, dochter, schnüren, schwester, welch noch inn des herrn hauß woneten, vnd imm har gehn [unverheiratet sind], laster begieng
    1530 LibriFeud.(Weidm./HAB) 88
  • DWB. IV 2 Sp. 13
I 4
der Bauern
  • daß die bauern nicht lange haare, sondern lediglich die uralten bauerkolben tragen sollen
    1652? Sachsen/Kamptz,PreußProvR. III 629
II bei Verletzungen

II 1 als Ziel eines tätlichen Angriffs
  • de den anderen bi den haren tut is 12 ß
    1450 RostockGO. 67
  • wann ainer einen räfft, alß oft ein finger im haar alß oft ist er 72 ₰ verfallen
    1617 NÖsterr./ÖW. VII 77
  • fleisch wunde in den haren oder unter den kleidern [gebeßert mit] ... 30 fl.
    Ende 17. Jh. (Übs.) Seestern-Pauly 102
  • ob einer einem bei dem haar zieht uber einen tisch, als offt ein finger im haar, als offt 1 ℔ pfening
    18. Jh. Österreich/GrW. III 718
II 2 zur genauen Umschreibung der Wundstelle
  • thene wlitewlemmelsa ne ach ma nout scrivane mar buta her and buta clanum
    1. Hälfte 15. Jh. FivelgoLR. 66
  • alle wunden vnter dem angesichte die das har nicht bedecken kan, das heist ein schandtmal
    1541 König,Proz. 160v
  • metedolch twisk her and halsdoc
    oJ. Richthofen,WB. 807
II 3 bei erlaubter Selbsthilfe
  • so er ein ungepüer anhüeb mit dem nachbarn, so sollen die nachbarn überains werden und ihm bei dem haar für die thier außreisen und sollen ihm daß haubt umb den thüerstock stoßen, so sein sie dem gericht nit pflichtig umb straff
    1413 NÖsterr./ÖW. XI 180
  • schweigt er [der Eindringling] aber still [auf Anruf des Besitzers], kan er in vom leben zumb todt bringen, so soll er eren peim har nemen und sollen ziechen auf di gassen und leg 3 ₰ auf in
    1529 NÖsterr./ÖW. XI 13
III bei Strafen

III 1 bei Schandstrafen

III 1 a das Haar ausreißen, abscheren
  • Karl hiez im [dem Verräter] sine hende binden, daz har si im uz rouften
    um 1233? Stricker,Karl 7, 169
  • swer einen toten vz grebet ... [dem] man sol ... im slahen vierzec slege, vnd sol im daz har ob den oren ab schern
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 370 II
  • die frawe [die zu deme dritten grugt ist wegen Unzucht] sal den sun umb die kirchen tragen, wollen und barfusz, und sal man ir har hindin an dem haubet ab sniden und ir rock hindin abesniden
    1390 Seligenstadt am Main/GrW. I 504
  • der frawen söllen [als Strafe für ihren Ehebruch] jr haer hinden vnd forne abgeschoren werden
    1561 Rotschitz 94
  • bey denen Teutschen erhellet es, daß man einer ehebrecherin zu grösseren schimpff die haare abgeschnitten
    1737 Fuhrmann,Öst. IV 120
III 1 b offenes Haar bei einer Schandstrafe
  • [M.Sch. und C.M. werden am Sonntag] mit ausgeflochtenen haaren ... bey dem münster vorgestellt
    1734 Schindler,VerbrFreib. 142
  • [M.A. soll] am nächsten sonntag ... vor die kirch mit fliegenden haaren ... vorgestellt werden
    1748 Schindler,VerbrFreib. 143
III 2 Haut und Haar als Bezeichnung einer Körperstrafe, die im Verlust des Haares und in Schlägen besteht, oft als mildere Strafe (zB. bei Schwangerschaft der Täterin); im Lateinischen: pro pelle et capillis 12. Jh. Bayern/GrW. VI 126, cutis et capilli, crines, corium 
Sachhinweis: His,MA. I 525-532, HRG.1 I 1884-1887
  • sine dekene iewa hed and her [das heißt bei den Kirchenbußen durch Geißeln und Haarabschneiden bestraft werden]
    2. Hälfte 11. Jh. (Hs. 15./16. Jh.) WestfriesSchulzenr. 172
  • schîet in deme dorphe des tages eyn duve, de minner denne drier schillinge werd is, daz müt die bürmeister wol richten des selben tagis zu hût unde zu hâre oder mit dren schillingen zu lôsene
    1224/25 Ssp.(Eckh.) LR. II 13 § 1
  • mit rueten an der schraiat haut und har abslahen
    um 1330 BrünnRQ. 399
  • swer dem andern sein visch ... nimpt auz weyern oder auz grůben ... sol man im haut und har abslahen
    BairLR.(Schlosser/Schwab) Art. 349
  • vorwarcht en wif ere lif de en levendich kint dreghet, unde wert de begrepen, over de ne scal men nicht höghere richten denne to hut unde to hare 
    1. Hälfte 14. Jh. GoslarStat. 90
  • mag er der phfening [als Sühne] nicht gehaben, so sol er geslagen werden, daz er verlies hawt und har 
    1397 OÖUB. II 542
  • ungerichte ist die clage, dy eyme an den liep, ader an hant, ader zu hut, ader zu hare geth
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 260
  • steelt hi des daghes, et gaet hem te hude ende te hare 
    Anf. 15. Jh. NlSsp. I 61
  • wer imant uber wiget mit rechtem lot gein einem pfenninge der pfundig ist, dem sol man haut und har bei dem hochsten an der schriat abslahen
    15. Jh. Schwsp. Var./WSB. 73 (1873) 466
  • grebt er marckstain usz, man sol im haut und har vertailen
    15. Jh. Schw sp. Var./WSB. 74 (1873) 408
IV beim Schwur
  • ob ain frau käm der ir hauswürt mit tod wer abgangen, begeret entrichtung, niemand woll sie entrichten, so soll ir recht gestatt werden. und wann sie daselbst schwört auf har und prust oder bringt für umb ir weibliche freihaiten mit brief oder leuten, so soll ir ergên wie recht ist
    1588 Bayern/GrW. VI 174
  • so aegh hi op to nymen mit siner winster hand sine winstera hara [für gara Ger, Rockschoß?], ende deer op toe lidsen tween fingeren mit sine fora hand, ende swara dan
    oJ. Richthofen,WB. 807 [der Beleg gehört zu Ger und steht dort in einer verbesserten Fassung (Speer 2.2.2000)]
V als Leibzeichen (I) 
  • wär ez vmb mort, mag der klager des ermürten haurs ain lok gehaben so bedarff er nit mer denn zwayer man zuo jm
    1396 MemmingenStR. 253
VI besondere Redewendungen

VI 1 Haar um Haar 
  • so zween mit einander tauschen umb pferd, der eines zehen gülden oder drüber wert ist, haar umb haar, alßo daß keiner dem andern nichts nachgibt, sol ieder von solchem tausch drei weißpfennig zu underkauf geben
    1513 HeidelbStR. 1115
  • "manchmal wird die gesetzliche Nachwährschaft ausgeschlossen, etwa durch die Worte haar um haar"
    oJ. Graf u.Dietherr 260
VI 2 von den Haaren bringen ums Leben bringen
VI 3 das Haar aneinander binden sich in Streit verwickeln
  • einer statt Bern landschaft und gemeiner eidgnoschaft das haar an einandern gebunden [in Streit verwickelt]
    1521 SchweizId. II 1503
VII für Vogelschlingen
  • mögen vor schnepfen und haselhüner ... trittschleiffen von 5 oder 6 haaren gebraucht werden
    1645 CJVenatorio-Forest. III 275
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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