Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Luft

Luft

, f.

älter und in den germ. Sprachen unterschiedlich: m. und f., auch n., ahd. luft, luht, as. luft, mnd. lucht, mnl. lucht, locht, ae. lyft; im Mnd. und Mnl. sind hiervon die gleichlautenden Nbff. von Licht zu trennen, mit wechselseitiger Beeinflussung ist aber zu rechnen; zur Etymologie vgl. Kluge22 450, DudenEtym. 411 u. IEW. 691

I der Raum zwischen Himmel und Erde, Luftraum

I 1 im Strafrecht

I 1 a bei Hinrichtungen
  • herr ertail ich bey dem aid ... dye twuͤngenlich bey der schran stend an plutigew hant mit dem strang an den luft zwischen himel und erd
    14. Jh.? RegensbStat. 57 [ebd. 59]
  • daz man ... inn an den galgen henken sol vnd inn da in dem lufft lassen sterben vnd verderben
    1410 Bluntschli,ZürichRG. I 408 Anm. 144
  • wyse synen hals dem reype, sinen lycham den vogelen vnd dieren in der lucht to verteren
    15. Jh. Wigand,Femg. 427
  • ist er aber ein dieb, das der naͮchrichter im sine ougen verbind, an den galgen vffhin strick, dem erdrich entfroͤmbde vnd dem luft bevaͤlhe vnd also vom laͤben zům tod bringe
    1512/13 BruggStR. 139
  • 1566 E. Stutz, Das Strafrecht von ... Zug ... (Diss. jur. Bern 1917) 107
I 1 b bei der Errichtung des 1Gerichts (VI 2) (= Galgen)
  • so weist auch der scheffen des hoffs, abe das gericht bawefellig wurde, so sullen die beide herren den buwen und in die lufft halten
    oJ. LuxembW. 362
I 1 c in Urteilsformeln
  • darumme nicht werdich, dat one ... water, vur noch erde edder lucht liden scholde
    1514 BrschwChr. II 400
  • wasser, füer, der lufft vnd erden, die muͤssent jm verbotten werden
    1519 Murner,Geuchm. 68
I 1 d zur Kennzeichnung der rechtlichen Zuständigkeit
  • hait man gewyst eynem grauen von V. eyn richter ober hals vnd buych, raub vnd brant, gebott vnd verbott, ober wasser vnd weyde, dat wyld vff dem walde, den fische in dem wasser, den fugel in der luchte, und alle geweltliche sachen
    1468 Eifel/GrW. II 609
I 2 rechtliche Zuordnung des Raums über der Erde
  • mit natürlichen rechten sindt gemein die der luft, regen vnd dz mere
    1520 Murner,Inst. 25v
  • luft ... gehoͤret mit zu der erde. wer also das land besitzet, der kan die luft nach seinem gefallen gebrauchen, gebaͤude und camine auffuͤhren, feuerwerke spielen, windmuͤhlen errichten
    1762 Wiesand 710
  • was ferner die roͤmer res communes genennet, wovon iedermann den gebrauch, niemand das eigenthum hat, z.b. in sachen, deren gebrauch nicht zu erschoͤpffen als luft und wasser, diese werden heut zu tage ... dem fuͤrsten zugestanden
    1762 Wiesand 923
  • 1801 RepRecht VIII 14
  • die luft gehoͤhret nach den grundsaͤtzen des roͤmischen rechts zu den herrenlosen sachen
    1802 RepRecht X 100
  • gehoͤret heutiges tages die luft, sobald daraus ein ... besonderer nutzen gezogen werden will, nach der verfassung mancher provinzen dem landesherrn
    1802 RepRecht X 101
  • 1806 Runde,PrR. 94
II die Atemluft

II 1 in Schutzvorschriften zur Luftreinhaltung und zur Vermeidung von Ansteckung bei Epidemien
  • man sol [einem aussätzigen Straftäter] ... chainen andern tôt tun denn prennen. daz macht der luft, der von im gêt, der ist schedleich
    vor 1328 Ruprecht(Claußen) 306
  • wanne sulche misdedige ... zo den doide gericht were, alsdan sal men dat doide lichnam ... in de erde doin graeven, op dat men den lantheren de luicht niet en velsche
    nach 1452 RhW. II 2 S. 40
  • keine ferkensställe ... auf der straßen ..., sondern binnen hofs ... zu machen, auch dergestalt, daß ... den nachbaren kein böse luft noch gestank zugefügt werde
    1558 QNPrivatR. II 1 S. 355
  • 1614 NürnbRatsverl. II 468
II 2 im Nachbar- und Bergrecht wird das Recht auf Zufuhr von Luft als Grunddienstbarkeit aufgefaßt, mit der das Nachbargrundstück belastet ist
  • es soll auch kainer zu dem andern ... kain durchslag machn allain er waͤr des durchslags zu khlufften, luͤfften vnnd wasser nodtuͤrftig
    1517 MaxBO. Art. 59
  • dienstbarkeiten wie ... trauffrecht, canal, fenster, lufft, liecht, wasserflüsse, ein oder außgeng
    WürtLR. 1555 S. 213
  • einem nachbaren verbotten ist sein hauß ... hoͤher aufzufuͤhren, wann es dem anderen nachbar den freyen lufft zu seinem ... frucht-speicher ... benehmen thaͤte
    1728 Leu,EidgR. II 307
  • durch ... haus-servituten wird der besitzer des dienstbaren grundes verpflichtet, ... dem herrschenden gebaͤude licht und luft ... nicht zu benehmen
    1811 ÖstABGB. § 476
III übtr.

III 1 Herrschaftsbereich, insb. im Rechtssprichwort: Luft macht eigen (vgl. HRG.1 III 92-98)
  • dem dorfe Guͤtersloh, worin noch jetzt die luft eigen macht
    1769 Möser,Phant. III 338 [ebd. 339, ebd.ö.]
  • der einwandernde freye brauchte [nach einem Vertrag von 1433] nicht zu fuͤrchten, daß die luft oder gutsherlicher zwang ihn eigen machen werde
    1801 Gesenius,Meierrecht I 400
  • in manchen orten machte sogar die luft leibeigen
    1829 Mohl,WürtStR. I 289
III 2 Bewegungsfreiheit, Freiraum, Frist
  • ok de fruwen van der untucht mosten hebben yo neyne lucht 
    1492 BrschwChr. II 135
  • Ende 15. Jh. Lexer I 1977
  • gab er ime zil und luft uf drei monat, sich mitler zeit anderswo zu versehen
    1566/67 ZimmernChr. III 21 [ebd. 23]
  • wellicher seine archen nit fleissig gemacht ..., der soll noch luft haben biß mitleten maien
    1617 Tirol/ÖW. III 331
III 3 oberstes Stockwerk, Speicher
III 4
in der Luft hängen "vakant sein"
  • een leen ..., hanghende in de lucht, sonder eenighe grootte van leene ende vassalen
    1559 CoutBruges I 415 Anm.
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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