Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Morgensprache

Morgensprache

, f.


I Besprechung, Versammlung am Morgen (I) 

I 1 Zunft-, Gildeversammlung, zur Regelung und Durchführung aller nicht den städtischen oder regionalen Obrigkeiten unterstehenden Angelegenheiten des Handwerks; tw. auch mit gerichtlicher Funktion (gehegte Morgensprache); die gebotene Morgensprache (zB. Beleg 1281) wurde zu besonderen Anlässen einberufen; zur gemeinen Morgensprache versammelten sich alle Gilden eines Rechtsgebietes, die hohe Morgensprache war der einfachen M. von der Entscheidungsbefugnis, möglicherweise auch durch die Zusammensetzung mit ranghöheren Zunftangehörigen übergeordnet
Sachhinweis: Beier,HdwLex. 281
  • conuentus fratrum [der Fischerzunft], qui wlgo morghensprake dicitur
    1230/40 MecklUB. I 391
  • swenne ok use meister unde de vier ratman us de morgensprake gebieden, so schole wie komen tusamene, er dan de primeklocke si vorlaten
    1281 GoslarUB. II 307
  • dar lude sint inder stat, den de rat ge geuen heft morgen sprake, dat se dar inne vorderen des stades nvt ... maket se dar bouen en andere morgensprake, de weder de stat si, dar vmme scholen se wedden
    Ende 13. Jh. LübMndStR. Art. 37
  • alle die ienne [Zunftbrüder], die tho erher vorsamlinge des morgens, [die] genomet werdt die morgensprake ... nicht en kumpt, die schal wedden soes wendische penninge
    1307 MecklUB. V 335
  • [ein Vergehen] scal he [knecht] beteren in der morgensprake deme raade mit teyn schillingen, unde deme werke mit ses penningen
    1321 HanseRez. I 59
  • swen unse morgensprake wirt geboden unde unse bote jowelkem manne se kundeget tzo hus unde tzo hove
    1334 GoslarUB. III 660
  • unse werken dey synt eyn geworden alzus, dat man veyr morgensprake alle jar holden schal
    1337 DuderstadtUB. 45
  • voert is over een ghedraghen mitten ouden rade ende mitten nywen ende bi ghemeenre morghensprake van allen ghilden, datmen den wijnsijs voertmeer altoes van iare te iare vercopen sel ende maendelix betalen
    1340 UtrechtRBr. I 36 [ebd.ö.]
  • welk broder, süster den anderen unversünet wart, dat schall he vorderen vor der negsten morgensprake 
    um 1350 PommMbl. 28 (1914) 129
  • morgensprache zullen sye habin mit einandir, da allirhande gilde, bruderschafft unde morgensproche allir lute ... sullen ouch czwene ratman und der scholte gen ... czu horchin und den vor den rat brengin czu entscheydin
    1385 AktStPr. I 43
  • welk broder ... nicht en queme to sůnte Wolburghen dage, to sunte Jacobus daghe vnde to sůnte Michaelis dage to der groten morgensprake 
    1437 Nyrop,Saml. II 97
  • dat nyemant gheenrehande cedulen off brieven en breng bynnen der stede inder ghilden merghenspraeck, buten orloff vanden burghemeisteren ende vanden achten
    1438 Fruin,Dordrecht I 275
  • so schall he dat handwerck eschen in tween morgenspraken vor twen heren des rades unde vor den handwercksbroderen
    1458 HambZftRolle 3
  • dat se [knokenhower] under sik in der morgensprake richten und erkennen mogen von allen saken, uthgenomen pinlike edder bluthsaken edder dar eyde to gehoren
    1470 OsterwieckStB. 71
  • we dat ampt wynnen wil, de schal dat eschen vor dem ampte der gerwere to twen morgenspraken und to eyner hogen morgensprake 
    1476 LünebZftU. 74
  • was binnen Utrecht geordineert een ghemeen mergenspraeck van allen gilden
    1482 Mathaeus,Anal. I 456
  • de morgensprake ... is ... ein geheget undergerichte, darin de werkmeystere na tyden wesende vormoge und inholt ehres to den hilligen gesworen lifliken eydes als richtere schedesleute und bevelhebbere van dem erbaren rad darto upgenamen ... und gesettet
    1554 LünebZftU. 204
  • in der hegeden morgensprake 
    1557 HambZftRolle 43
  • [Zunftgerichtsversammlung] wordt aldaer in ordinarisse saecken, alle acht daghen recht ghedaen, des maendaechs voor de noene, dwelck men de morge-sprake heetende is ... des werckendaechs, voor den dach vande morgen-spraeck voor noene, gaen de deken oft waerdeyn met twee oudermans, inden naesten winckel van eenen wullen laken-vercooper ... ende heyscht aldaer de deken ... een elle, ende ... seght aldus: ick legghe hier de morghen-sprake, ende vercondighe datmen op sulcken dach sal morgen-sprake houden vander stadt ende gulde weghen
    1582 CoutAnvers II 22
  • nach alter ... gewonheit verfassete morgensprach dero gantzen beckergilde
    1647 ZDKulturg. 2 (1857) 806
  • das wort morgen-sprache bedeutet durchgehends bey denen handwercken die zusammenkunft und haltung des handwerck
    1722 Beier,HdwLex. 190
  • wie dann auch bey den morgen sprachen und acceß ... solche meisterstücke angefertiget werden müßen, die nicht unnützlich sein
    1724 MittKönigsberg 2 (1910) 201
  • vermoͤg des zunftrechts ist jedes handwerk sowol zu ordentlichen, meist vierteljaͤhrigen, als zu außerordentlichen zusammenkuͤnften, morgensprachen, quartale und kapitel genannt, berechtiget
    1785 Fischer,KamPolR. III 255
  • die handwerker pflegen die aftersprache der morgensprache entgegen zu setzen; in dieser berathschlagen sie sich uͤber wichtige, in jener aber uͤber geringe innungssachen
    1798 RepRecht I 322
I 2 am Morgen (I) stattfindende Schöffenversammlung; sie diente der Beratung untereinander, stellte aber auch eine besondere Station im Rechtszug dar, bei der die Parteien sich Gutachten oder Unterweisungen einholen konnten, die bei beidseitiger Annahme anstelle eines Gerichtsurteiles in Kraft traten
  • wen neu schephen werden gesetzet, so schullen si ein morgensprach haben und di eltern schullen di iungern lern, wi si sich an dem schephenamt schullen halten
    um 1330 BrünnRQ. 395
  • wer seyn erb mit willen vorseczen wil juden oder cristen, der schal das in eyner morgen sprach oder in eynem gerichte vor den scheppen tuen
    vor 1368 IglauOberhof 109
  • scheppen haben auch gewalt, vrteil in dem gerichte yn die morgensprache czu cziehen ... vnde die selben vrteil, die die scheppen also aws dem gerichte yn die morgensprach schieben, die sollen sie offenleich, das beider sachwalden fursprechen zu horen, lassen beschreiben, vnde nach derselben schrift in der morgensprach ein recht teilen ... sie haben auch gewalt, dieselben vrteil in der morgensprache oder in dem nechsten gerichte nach der morgensprache den weltsachen zu sagen
    2. Hälfte 14. Jh. IglauOberhof 358
  • ist es, das di schepfen in der morgensprache yemand rugen oder besagen vnd ob der richter nicht mit yn richten wil, die schepfen werden vnschuldig, vnd der richter bleibt in der schult
    um 1400 IglauStR. 219
  • sullen dy gesworn dy urteil, dy in yre morgensprache geschoben seyn, snelleclich als sy mugen usrichten
    1406/07 BöhmBergR.(Gelnh.) 213
I 3
Bürgerversammlung, die der Beratung und Beschlußfassung über neue Rechtsweisungen diente, und in der von den Bürgern auch eine Form der Gerichtsbarkeit ausgeübt werden konnte
  • ein iewelc man user boͮrghere scal des sunnendaghes komen to der morghensprake bi twen penninghen englis, id ne do eme noet, ofte he ne hebbe orlof uan deme oldermanne
    2. Hälfte 13. Jh. HambStR. 76
  • ist aber, daz urteil gevristet werden under di burger in ir morgensprache 
    um 1300 FreibergStR. 31 § 26
I 4 Ratsversammlung
  • des saterdaghes ... waren onse ouerste out ende nye tot J.'s huys, doe zi die cedel vander morghensprake ontworpen, roerende vander stat scout
    1380 CDNeerland. II 2, 1 S. 105
  • die herrn van der stat hilten abermal ein morgensprach, das man die Geussen uis der stat sult weisen
    2. Hälfte 16. Jh. BuchWeinsberg II 250
I 5 Versammlung zur Regelung von Angelegenheiten des ehelichen Güterrechtes
  • geschiet dan, nae der copulation vor beydersitz vrynden ... op der morgenspracke een opdracht met vast haldender handt
    16. Jh. Steinen,WestfGesch. I 1572
II die Institution der Morgensprache (I 1) 
  • so twe, de eines amptes sin, ehrer ein den anderen beschuldiget vor dem vogede ... und ehne vorhen nicht verklaget hedde vor ehrer morgensprake, he weddet dat dem handwerke
    1554 LünebZftU. 206
  • welchen mitgenossen die meister in der morgensprach [Bed. I] anreden umb ursach das ist, lesset er der morgensprech urtel und recht iber sich gehen
    1554 TrautenauChr. 140
III Beschluß oder Urteil, die in der Morgensprache (I), insbesondere von Zunft- und Bürgerversammlungen gefaßt bzw. gefällt werden
  • dey vleyschouwer hebben in unser staet morgensprake unde wilkore under sick, dar up en plege wy neyn recht to wisene
    um 1300 DortmStat. 148
  • dit ist die morgensprache van dem woichger ind financien
    um 1355 KölnAkten I 69
  • dese nageschreven morgenspraiche van dem vůyr sal man zo allen halven jaren ... verkundigen
    um 1400 Köln/Keutgen,Urk. 436
  • wart morgensprach gehalden zu Kolen also: wer den recht schuldigen brengen mocht ... de solt 300 gulden haben
    1416 KölnChr. II 109
  • wer ... vmb leibs bruͤchten gericht worden ist ... dieselben sollen sich binnen den nehsten dreyen tagen nach dieser morgensprache auß vnser statt machen
    1437 KölnStat. I 90
  • wer sein erbe darinnen [in der scheffein schrein] stehen hat, der mag es gesinnen, daß man ihme das urkunde in das kirspel, da daß erbe gelegen ist, nach vertrage und morgensprach unserer herrn vom rath
    1473 Planitz,UrkKölnRG. 30
  • morgensprache ... ein urthel, ein schluß des raths
    1803 RepRecht XI 14
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):