Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Rücken/rücken

Rücken

, m.

auch rück, rücke 

I der Körperteil

I 1 im Strafrecht; insb. jm. das Corpus delicti auf den Rücken binden, um die Straftat beweisen zu können, auch übtr.
  • man ... sal ine [dief] vore bringen mit gerochte vnde mit dere seluen haue vorebringen de he sich vnderwunden heuet. de sal man ime oppe den rucgke binden vnde darmide over winnen mit sines enes hant
    1227 BrschwStR. § 27
  • worde eyn man dey gelt gestolen hadde, dat eme op den rugghe gebunden were [Anm.: Umschreibung von deprehenditur cum furto], gebracht an gherichte, dem syn lyff mit rechte afgewunnen worde, horde das gestolene gelt unsen borgere to, so en hadde dat gerichte dar nicht ane
    um 1300 DortmStat. 108
  • so mac he einis urteilis vregen: ab he in icht binden sulle. so sal man teilen: he sulle im zu rechte die hende hinder den rucke binden
    um 1300 FreibergStR. XIX § 5
  • so mac he vregen eines urteiles: ab he im di dube von dem rucke icht binden sulle. so sal man teilen: he muge iz wol tun ane vare
    um 1300 FreibergStR. XIX § 14
  • daz ist die erste schande, wanne man ime [an dem jüngesten dage] die diepstale bindet vf sinen rücken vnd sü offenlich vnd lesterlich für gerichte tragen muos
    1362 Alemannia 1 (1873) 77
  • alz der dip gefangen ist, unde em die dube uff den ruchen mit gerufte gebunden wert, unde alzo vor gerichte brocht: so ist die tat bewislich
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 340
  • dafur mag ine [diep] der waltpode halten und angriffen und muß im sicherheid setzen, daß irer ime alle jare einen budel und nun heller darin brengen sal in sinen henden hinder sime rucke czu geczeugnisse
    1444 MainzKämmW. 179
  • schall man dem deup die hanttot, da er mit gefangen ist worden, auf den rugk pinden
    1489 NÖsterr./ÖW. VIII 180
  • der [nachrichter] soll im die hend vff den rugken zůsamen binden vnd fůren zum hohen gericht
    15. Jh. Berechtung 99
  • da wart mit recht die vrteil geben: der arm man het verwirckt sein leben, damit er diß sach bessern sol ... zum halben rucken angebunden vff ein brit zur selben stunden und vßhin geschleifft zum hochgericht
    1504 Alemannia 27 (1900) 261
  • des heft de jode laten vraghen umme eyn recht, wente he darsteyth myt der deverye up synen rugghen ghebunden, oft he icht negher sy auer to gande
    1518 Wasserschleben,RQ. 67
  • funde man ine [schadbar man] aber mitten im bach, so sollen die zwen buttel gein Hilpersdorf ane die kirchen gehen und die rucken aneinander keren und dan iglicher anheim an sein gericht laufen; und welcher dan ehe an die kirchen kumpt, der sol den mord heimziehen
    1527 WürzbZ. I 1 S. 411
  • sprickt jemandt einen deeff an unde beschleit eme wat in sinen henden, so binde he eme dat gudt up den ruͤgge unde foͤre en tho dinge
    1593 JütLow.3 II 87 § 1
  • daß bey dem ruthen außstreichen man bißweilen nach art des verbrechens dem thaͤter, wann er etwa noch jung ist, und doch ein grosses laster begangen, auch derentwegen das feuer ... verdient haͤtte, einen galgen auff den rucken brennen soll
    NÖLGO. 1656(CAustr.) 49 § 5
  • [Gerichtszuständigkeit:] ob einer in dem rucken durch die rippen ... verletzt, dardurch er lahm wuͤrde, und sein lebenlang krumm gehen muͤste ... ist der fuͤrst. obrigkeit ... zustaͤndig
    vor 1705 KlugeBeamte I2 806
  • [Übergabe eines Gefangenen an einer Grenze:] haben etwan 2 schritt darvon des hessen band aufgelösst und mit einem stoss auf den ruggen selbigen übergeben
    1717 SchweizId. VI 781
  • [Scharfrichterlohn für:] den galgen auf den rücken zu brennen 1 fl.
    1748 Schuhmann,Scharfrichter 137
  • verordnung [von 1660], daß jeder, der nur ein wildstuͤck geschossen hat, wegen solcher einzigen that drey monat mit der schanzarbeit abgestraft werden, und in den ersten 8 tagen die arbeit, mit den hirsch- oder gaͤmsgewichtern auf dem kopf oder ruͤcken gebunden, verrichten soll
    1788 Salzburg/Siebenkees,Beitr. III 49
  • ihm [der unberechtigt Ähren aufgelesen hat, wird] ... ein buͤndel der abgeboßten frucht auf den ruͤcken gebunden, und er damit an dem rathhause eine stunde lang oͤffentlich ausgestellt
    1800 HeidelbPolGes. 10
  • in Wuͤrzburg muß der candidat mit entbloͤßtem ruͤcken die ruthenstreiche der capitularen ertragen; eine gewohnheit, welche 1740 selbst der bischof ... in verbindung mit pabst Benedict XIV. nicht abschaffen konnte
    1801 RepRecht VI 217 Anm. m
  • [Aufsatztitel von Gneisenau über die Abschaffung der Prügelstrafe:] die freiheit des rückens 
    1808 Händel,Wehrpflicht 49
I 2 bei der Verzollung von Waren, die auf dem Rücken getragen werden
  • swaer tregt uf dem rugge garn, vlahs oder wollen der git ainen helbelinch
    1276 AugsbStR. Art. 10 § 15
  • swaz aver der man auf seinem rugke traet, dez sol er nicht zollen
    1310/12 MünchenStR.(Dirr) 234
  • ob ein man oder ein weip icht caufschatz tragen auf ierem rukk ..., di gewent [keine Maut]
    um 1330 BrünnRQ. 375
  • [Zolleinnahme:] allen sogtanen kleinen zol, waz man ufreffen und uf dem ruͤggen treit
    1339 WürtVjh.2 4 (1895) 102
I 3
bei Tieren
  • ergrift ... [ein Grundeigentümer Ziegen wiederholt] an sim schaden, so mag er die gaissen an den ruggen legen und inen die horn in die erden stossen und sy also ligen lassen und hat damit nit gefreflet
    1515 SchweizId. VI 786
  • ob sich begäb ... das ain frau der andern ihr schoff unwißentlich ... infieng und scheret das und wurd sein hinach innen, so soll dieselbig fraw dem schoff die wohl auf den rucken binten und dem schoff in welches hauß es lauft nachsehen [und es zurückgeben]
    1523 NÖsterr./ÖW. XI 217
  • ein jeder einwohner, der ein schwein im dorffe schlachtet, das eines jahrs alt ist, giebt ihm [Gutsherrn] davon den ruͤcken, als breit und lang das holtz ist und eine dichtige brat-wurst geduppelt so lang, als das holtz ist
    1689 Klingner I 513
II dem Recht den Rücken (und Weichen) geben / bieten / wenden der Gerichtsverhandlung fernbleiben
  • indeme G.v.d.H. deme rechte den rugge vnde weke geven, so scholde des closters vaget nha G.v.d.H. trachten
    1539 Dittmer,Sassenrecht 46
  • den ruͤcken bieten, oder wenden. entfliehen, verrachten, dem richterlichen befehl keine folge leisten
    1762 Wiesand 917
III in den Ruck / zu Ruck hinterrücks, unversehens; hinter dem Rücken heimlich
  • setczt er, das ym sulch geczewg ynn rocken unbewußt und unvorbotet gescheen sey
    1476/85 FreibergBUrt. 323
  • ob sich in recht erayschen vnd gepuͤre wurde eynich erstlich verkundung außerhalb hangends rechten yemandt zuthun, vrsachenhalb, das jne die sachen, derhalb ander partheyen geneinander jn recht stuͤnden, auch beruͤrte vnd antreffe, damit er jn den rugk nit verrechtet werde, so sol es mit sollicher verkundung oder vberantwurtung derselben gehalten werden als mit den fuͤrpotten
    NürnbRef.(1479/84) III 1
  • H. sye der von Baden heimlicher knecht und neme das gelt hinderm ruggen im schüssely
    1483 SchweizId. VI 780
  • daß inhalt der klage beklagter dem klaͤger in rucken einen kux auf kuͤnig J. ab und ihm dem beklagten selber zuschreiben lassen
    1572 Span,Bergurthel 25
  • die nichtige vnd vnrechtmessige auch vnsz zu ruck vnd vnwissentlich bescheene deposition
    1574 Diefenb.-Wülcker 824
IV Rückhalt, Schutz, Beistand, Schirm; über den Rücken tragen verschonen
  • schrip an alle, die hie in sint, die sollen geloben unsern rocke zu halten
    Mitte 15. Jh. MainzChr. I 155
  • bedorffen sie [Stadtknechte] darzu iemants me, die mogen sie uß den burgern nemen, ... die wir, als der furste, auch furbasser getrulich hanthaben und den rucken halten wollen widder meniglich
    1466 HeidelbStR. 498
  • wir wellen üch ruggen halten, damit ir fry gotzhuslüt beliben müessen
    1489 SchweizId. VI 783
  • ain armer man ..., der kain rucken hett
    1512/36 AugsbChr. VI 57
  • wollen wir ... unserm schatzmaister ... zu volzug ... diser contract gegen meniklich gnedigen ruecken und schirm halten und beweisen
    1514 Fellner-Kretschmayr II 73
  • derselb vitzdumb soll ... inen gegen meniglichen gueten rucken halten und von niemant wider billigkait dringen ... laßen
    1524 NÖsterr./ÖW. VIII 404
  • soll im [Totschläger, der sich in den Schutz seines Vogts begeben hat] auch der herr sein weib mit sampt seinen kinden nit ausstössen von seiner behausung, auch rugk und schürm halten
    um 1532 NÖsterr./ÖW. VII 203
  • in den jetztgemelten straffen soll niemands verschont, übersehen noch über ruck getragen werden
    1559 WürtLändlRQ. I 22
  • wo ... wir von Glarus lut des vertrags kein ruggen funden noch han möchten, so mogend wir alsdan solichen vischenz widerumb zu unseren handen nemen
    1575 GasterLsch. 447
  • nu kan ich in keines hern schucz wol komen, dieweil ich mitt haus alsz ein burger hie gesessenn, es geschehe denn durch ein solchen wegk, das ich mich in dienst vnd bestallung begebe, das trage also denn den schucz vffm ruckenn 
    1577 Diefenb.-Wülcker 824
  • damit auch hierinnen den bergmaistern durch niemants kein irr beschehe oder aber si spöttlich und schmächlich gehalten werden, soll innen iedes orts obrigkeit gueten ruken ernstlich halten
    um 1580 NÖsterr./ÖW. XI 201
  • [Rügegebot: es soll] darinnen niemants verschont noch iber den ruggen tragen
    1616 (Hs.) Tirol/ÖW. III 17
  • in dem allen niemant verschonen noch iber den ruggen tragen
    1616 (Hs.) Tirol/ÖW. III 19
V Feld bestimmter Größe
  • Wedding 10 cavelen und 39 ruggen 
    Ende 14. Jh. BerlinStB. 25
  • [Flurbeschreibung:] uͤber dem teiche, so hinter diesen 3 ruͤcken liegt, sind es nur 2 ruͤcken 
    1781 HistBeitrPreuß. I 232
VI Rückseite
  • wirt aber ein tůch vervelschet, der git ein pfunt und sol mans spalten dur den rugge 
    2. Hälfte 13. Jh. ZürichZftG. I 2
  • opten rugge van denseluen wisselbrieue stont aldus
    1556 Strieder,Notariatsarch. 376
VII zu Rücke als Saumlast auf dem Rücken des Tragtieres
  • das rörlsalz [dürfe nur] zu rugge [als Saumfracht ausgeführt werden]
    1403 Tirol/ZRG.2 Germ. 48 (1928) 230
  • was saltz zu ruggen herkomt, das sol dehainr samenkofz hin gen, denn das er es den ersten margkttag von der hand sol verkofen
    1406 IsnyStR. 149
VIII etw. auf dem Rücken tragen mit etw. unmittelbar verbunden sein
  • jm oberen Algew ist ... der brauch gewesen und noch, das ain jeder unterthan seinen hochen und nidern gerichtszwang auf seinem ruggen getragen, und jeder herr über seinen unterthan, wa derselb im oberen Algew wont, gerichtlich oberkait hat
    1529 Wiedemann,AllgäuGebr. 5
  • so jemands von einer beyurthel, so die endurthel auf dem rücken treget oder man sich beschweret, in der appellation der endurthel nit verhalten mecht, appellirn wolt, der selb soll sollich sein appellation auch in schriften thun
    1567 WürtLändlRQ. I 225
IX ironisch: jm. das Bürgerrecht auf den Rücken geben jm. das Bürgerrecht aberkennen?
  • man werde ihn aus dem dorf weisen und das burgerrecht uf den ruggen geben
    1707 SchweizId. VI 783
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):

rücken

, v.


I nachrücken, wechseln
  • ebdische Lutgart isz gekorn und gerukt in den stoel der ebdige to Gandersem
    1360 Lippert,Lehnb. p. 47
  • kein prediger darf eignen gefallens seine pfarre verlassen oder von einer zur andern rücken 
    1788 Gadebusch,Staatskunde II 215
  • domizellaren, wo sie bisher schon den genuss ihrer präbende hatten, werden den kapitularen gleichgeachtet, und rücken in die ledig werdenden kapitelspfründen
    1804 Gönner,StaatsR. 748
II
verschieben
  • ob der jarmercktag einer ein fiertag were, so sol derselbe margtag geruckt werden uff den allernehsten ... wergtag
    1466 Neckargemünd 610
  • beden und begerden to ruckende, deme umme iuwer bede willen also beschah
    1490 LübRatsurt. I 291
III (eine Waffe) zücken (und benutzen)
  • uvelch burger vber den andern rucket sin swert oder in sluͤge âne blůtrunst ... der gibet sechs phunt vnd rumet zwei iar
    um 1300 Förstemann,Nordhausen I 1 S. 47
  • ist aber, daz lute kumen geloufen uz anderen gazzen ... zu dem huse mit gewapenter hant mit gerukter were an gerichte ... he volbrenget eine heimsuche wol uf diselben mit rechte
    um 1300 FreibergStR. 28 § 6
  • rucket ein gast sein messer vber einen man in der stadt, der sal rheumen drey monden
    1351 ErfurtZuchtbf. 122
  • wer ein messer rückt und entplöst, ist das wandel zwei pfunt und das messer verloren
    1464? BayreuthStB.1 343
  • so sind dieselbigen rucker ir ainer als oft er das tut albeg umb 12 ₰ als bald er ain messer ruckt zu wandl
    15. Jh. NÖsterr./ÖW. VII 728
  • wird einer daran [Körperteil] gelemet durch ... stechen, stossen, werffen, ruͤcken, zuͤcken, so ist des beschedigten bus ein halb wergelt
    1541 König,Proz. 158v
  • wer vber den andern messer, schwert oder ander where rücket, der sol vns eynen halben gulden ... geben
    1559 KönigseeStR. 280
  • da ein diener freventlicher weiß ... uͤber seinen herrn ... die woͤhr oder buͤchsen ruckete ... solle die landtgerichts-obrigkeit ... mit geziemender bestraffung ... verfahren
    NÖLGO. 1656(CAustr.) 62 § 13
  • eines purgers knecht ... sprach dem wechselmeister in dem wechsel pose wort und ruckete sein swert auf in und wart des uberwunden mit gesworn leuten. doruber wart geteilt czu einem rechten, das her die posen wort drei suntage auf dem predigtstuhl, also in der handveste geschriben stet, scholt in den munt slahen, und um das swert, das her gerucket hat, scholt man im di hant abslahen oder her scholt si losen mit czehen marken
    oJ. Jelinek 594
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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