Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Sitte

Sitte

, f., m.

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I Gewohnheit, Brauch (III), Herkommen (II); insb. Rechtsgewohnheit; auch: Gewohnheitsrecht; formelhaft ua. mit Gewohnheit (II) und Recht (I 3) 
  • síto uuás ze Romo, sô chúninga mít síge fóne uuîge châmen, dáz man demo állero gesprâchesten bewálh taz sígelób zetûonne
    um 1000 Notker I 74
  • mit ritterlîchen siten 
    um 1200 Nibelungenlied 1307, 3
  • [daz] alle, die gerihte von uns habent, rehte rihten als des landes sit und reht si und gewonheit
    1235 Mainz/MGConst. III 277
  • nâch siten kristenlîchen wîhen man dô hiez beide ze der krône
    Mitte 13. Jh. Kudrun(Symons) 179 V. 1
  • so ist etwa sitte, daz man bvrgraven hat, der sol rihten vber vnrehte metzen
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 1a
  • des landes site stêt alsô: wer dem anderen tût die hant, ... der hette getrûwelîchen vride bie dem halse und der wide
    nach 1290 LivlRChr. V. 4616
  • wir ... gaben dem vorgesprochen gotzhuse die gewer, mit allem rehte vnd mit aller ehafti, alse sitte vnd gewonliche ist
    1293 SchrBodensee 13 (1884) 90
  • ich vergieh ŏch an diesem brieve, das ich ... rehte wern suͥlent sin nach sitte und rehte deͥs landes
    1294 WirtUB. X 205
  • du erst genad ... ist, daz su nach edeler luten sitte und reht lehen sůln enphahen und haben
    1298 ZürichUB. VII 65
  • umbe thene blata, ... thet twede geld geue sine friund, as er syde was [vom Besitzlosen (gilt,) ... zwei Drittel des Wergeldes sollen seine Verwandten geben, wie es früher Sitte war] 
    um 1300 HunsingoR. 120
  • so han wir, dy ratherren zuͤ W., dy alten recht und dy erbe[r]n syten unser stat zuͤsamen gelesen und hant sy geschrieben in daz buͤch
    13./14. Jh. Kohler-Koehne,Worms 25
  • in dussen achten haben de gebur einen wunderliken sede: dannoch daz se wol wissen, wat se rogen willen, dennoch komen se twie weder vnde segen se en wissen nicht; to deme dridden male so rogen se id
    um 1325 SspGlLR.(Buch) 411 (SspLR. I 58 § 1)
  • wy ... louen tho warende iaar vnde dach na deme sede des menen landes
    1338 MecklUB. IX 140
  • komet dat aver, dat wy stridet, dat wy reysege have wynnet, de scal men buten, also eyn sede is
    1348 MGConst. VIII 534
  • so i[e]man schedlich lute mit sinen vorsprechen von dehain sachen důt ansprechen, daz den sitde und gewonhait sei ... daz denne ... die scheffene dafuͥr richten muͤssen
    1354 UlmRotB. Art. 182
  • elck broeder ofte suster sal geven een penninck ter seelmissen, ende sie sullen mede offeren, als sede en ghewoente is
    1362 GroningenUB. I 376
  • schole wy de radman, borghere unde stad van B. laten by alle ereme olen rechte, vriheyt, breve, wonheyt unde zeden 
    1366 BremUB. III 237
  • das die selben von A. ... jrem herren abt ... sinú reht ze tůnd vnd da bi lassen ze belibenn als von alter bis her sitt vnd gewonlich gewesen ist
    1379? Appenzell/GrW. I 191
  • opten toechdach, daer sullen si mede ter halle comen, ghelijc andere luden, ... als zede ende costume is
    1387 Fruin,Dordrecht I 248
  • die dryzechen zunftmaister, die yetzo gesetzt sind ... und den räte gesworn hand als sitt und gewonlich und von alter herkommen ist
    1392 EßlingenUB. II 337
  • das ir den seten nicht ofbrocht habet, sunder is sy eyn sete gewest von vil jaren
    1404 CDPruss. VI 190
  • dat dey selve gemeiynheyt de selven veirtich ... besculdiget hebbe, dat ze mer nyer zede under en hebben unde halden, dan van aldes her komen zy
    1405 DortmStat. 240
  • do machte her [keisser] on [grave], ... also is der keisserlichen gewalt unde mildickeit sethe ist, zu eyme fursten
    1421 Rothe,DürChr. 287
  • ist dat de overste richteren vinden, dat he na landrechte ende gude zeden synes landes ghedomet heft, so sal de doem bliven staen
    1428 OstfriesUB. II 730
  • we ... vorsegelden ok de soͤne mid beiden delen allikewol, na unsen wontliken seden, privilegien, besittingen vnd wonheiden
    1447 DithmUB. 57
  • wan not were wesselinge, so mogen se redelike wesselinge don und nomen na wonden unde sede des landes
    1480 MeppenUB. 320
  • worpener, schipbrokigher efte zeedriftigher gudere mach syck anders nemand anthen efte beeghenen, den deme se vorhen thoqwemen. worieghen nene sede, ghesette efte wonheide moghen helpen, de susz anders in schepinghe vnde handelinge to water bestan vnde gebruket mogen werden vor recht
    1497 HambStR.(Eichler) P 45
  • hebben die stede an sik ein vyl quader sede ofte recht ofte woe se et heiten willen
    2. Hälfte 15. Jh. InfSpecSax. 669
  • die heyden, welche nach irem sitten mit vil hausfrawen heureten
    um 1500 Summa legum 180
  • alle voͤlker die mit gesatz vnd sitten geregieret werden, gebruchen sich eins deyls jres eigenen rechten, vnd eins deils des rechten aller voͤlcker
    Murner,Inst. 1519 Bl. 3r
  • wy borgemesters ... hebben einnen eydt van J.F. genommen ... na sede und wonte der staidt
    1522 RietbergStB. Nr. 67
  • so manchs land, so manche sitte, sagt das gemeine sprüchwort. demnach ... lassen [wir] einer iglichen stadt und land hierinn ihren brauch und gewohnheit
    1546 Thüringen/Sehling,EvKO. I 1 S. 23
  • nun ist dieses werk in zwey theyll geteylt, deren das erst den rechtlichen process, das ander aber die landtordenung von allerley sitten begreyft und inhelt
    1567 Solms/ZRG. 8 (1869) 272
  • so danen beschede effte vnser leue godt vns beteren kop vp mell tho vogede vnnd dat men dat stucke konde kopen vmme 5 effte 6 fl. so willen de nabers wedder gesuncken hebben vnnd also nycht vor eyne ewige sede willen gehalt hebben
    16. Jh. GartenRJacobsf. 23
  • territoria ... die einerley ursprungs, sitten und sprache waren
    1667 Pufendorf,RZustand 3
  • die unterhaltungskosten, die sie [tuchweber] der hergebrachten sitte nach einem gesellen zahlten
    1794 Krüger,PreußManufakt. 686
  • die von dem fremden rechte gelieferten grundsätze waren zu sehr im widerspruche mit den bisherigen rechtsansichten, mit den sitten der nation, mit allen verhältnissen, welche auf das rechtssystem einwirkten
    1815 Mittermaier,VersuchPrivR. 5
  • wär aber, das man nit vorster fund, so sond die keller ... das holtz besorgen vnd behüten, als daher recht, sidt vnd gewonlich gewesen ist
    oJ. Schaffhausen/GrW. I 103
II meist pl.
(auf grundlegenden Werten und Normen basierende) Verhaltensweise, Lebensführung; auch die Werte und Normen selbst; Wertekanon, Moralvorstellung; gute Sitten Gesamtheit der grundlegenden positiven Werte und Verhaltensregeln einer Gesellschaft
  • aethici sínt, tîe únsih lêrent háben réhte síte 
    um 1000 Notker I 101
  • uuáz chîst tu dés, dáz mísselichero líuto síte, únde êa míssehéllent éinánderên?
    um 1000 Notker I 114
  • daz die wirdekeit romischis richis hat zů bedrachtin gesetze unde uzrichtin manigirhande lande, die undirscheidin sint an setin, an leben, an sprache
    um 1360 GoldBulle 147
  • da eden, dyr gaed to jens dat riucht ende to jens guede siden, ... da is ma naet schyldich to halden
    1480 JurFris. I 180 [hierher?]
  • der pfleger wirt argwenig ... ob er die mit gueten sitten vnd leren nit vnderricht [tutor dicitur suspectus ... si ipsos bonis moribus et disciplinis non format] 
    um 1500 Summa legum 200
  • der richter sol an im haben acht ding, als ein volkomens alter, gotes forcht, den gewalt zw richten, wissenhayt der gesatz, recte weyshayt, verhuetung der laster, guet sitten vnd liebhaber der gerechtikait
    um 1500 Summa legum 226
  • der beuelhich, der ist wider die gueten sitten, ist nit verbundenlich, auch ob er mit dem ayd oder einer peen sei bestett
    um 1500 Summa legum 531
  • so ist Germanien ... also wildt vnd grob vnd vnerbawen vnd vngeleert an leuten gwessen, mit groben sitten vnd breichen, als kaum in der welt ein orth
    1519 FRAustr. 43 S. 11
  • oberigkhait, recht und ordnung ... dardurch frid, ainigkhait, guet sitten und recht im land ... erhalten wuerden
    1528 ZeigerLRb. 6
  • so ist uns ... angelegen gewesen ... unsern befridten solche maß und ordnung zu setzen, dardurch ainigkhait, guet sitten und ordnung under inen zu erhalten, so in allem wesen der menschen nichts furtreffenlichers noch bestendigeres ist, dan wo fremb leut gleicher sitten und tugent ainmuetig verpunden sein
    1528 ZeigerLRb. 10
  • [statuta für die stadt Allstedt: die schulen sollen] mit tüchtigen und gelehrten personen versehen, von welchen die jugend in christlicher tugend, guten künsten und sitten, zucht und ehrbarkeit gelehret und unterwiesen werde
    1564 Sehling,EvKO. I 1 S. 513
  • [bei contracten ist] darauf acht zu haben ob dieselbe ône betrug erbar aufrecht, auch nit wider guete sitten oder gemainen nutz
    1599 NÖLREntw. II 20 § 6
  • [bei der die examination soll] nach dem ienigen, was zu zucht und sitten dienet, geforschet werden
    Seckendorff,Fürstenstaat (1656) 378
  • unter dem wörtlein sitten werden die mores verstanden. item die ethica ... sollen sie nicht allein lernen, sondern auch ... practiciren
    1662 Güstrow/SchulO.(Vormbaum) II 590
  • der druck schandbarer und den guten sitten zuwider laufender schriften [ist nicht] zu gestatten
    1779 CSax. I 1072
  • weil die auffuͤhrung der geistlichen einen so großen einfluß auf die sitten der einwohner hat, so erfordert das preußische kirchenpolizeyrecht die einsendung besonderer konduitenlisten ans konsistorium
    1785 Fischer,KamPolR. I 324
  • die censur ... geht theils auf die sitten und die lebensumstaͤnde des praͤsentierten, und theils vorzuͤglich auf dessen gelehrsamkeit
    1791 Malblank,Kanzleiverf. I 147
  • mißbrauchen die pflegeältern ihre rechte dergestalt, daß leben, gesundheit, ehre, sitten oder gewissensfreyheit des kindes darüber in gefahr kommen: so ist das kind von fernerer dienstleistung freyzusprechen
    1794 PreußALR. II 2 § 770
  • wer zum schulzenamte bestellt werden soll, muß ... von untadelhaften sitten seyn
    1794 PreußALR. II 7 § 51
  • kein forstschuͤler [wird] ohne einem uͤber seine lehre, und sitten aufzuweisen habenden ... zeugniß ad examen gelassen
    1797 KurpfSamml. V Reg. 6
  • die befoͤrderung alles dessen, was auf die verbesserung der sitten einfluß hat, liegt in dem wirkungskreise der polizei-direktionen
    1808 RepStaatsVerwBaiern VI 232
  • unerlaubte gesellschaften sind aber diejenigen, welche ... offenbar der sicherheit, oͤffentlichen ordnung oder den guten sitten widerstreiten
    1811 ÖstABGB. § 26
  • mangel an dem noͤthigen einkommen, erwiesene oder gemein bekannte schlechte sitten, ansteckende krankheiten ... sind rechtmaͤßige gruͤnde, die einwilligung zur ehe zu versagen
    1811 ÖstABGB. § 53
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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